Fahrtenschreiber

Politiker mit Weitsichtigkeit – oder ist es doch Kurzsichtigkeit? - eCall mal hinterfragt

Es ist ja schön und gut, wenn sich die netten Politiker um uns arme Bürger auch mal kümmern. Aber wenn man keine Ahnung hat, sollte man doch einfach mal ruhig sein. Schön wärs ja… Jetzt sind wir schon so weit und bekommen 2015 eine BlackBox im Fahrzeug verpasst. Natürlich ist eine Black Box per Definition etwas anderes und natürlich auch nur für Neuzulassungen – alte Karren sollen verschont bleiben. Sie soll Daten aufzeichnen und den Notruf im Fall der Fälle tätigen.

Wie so oft fangen derart schräge Diskussionen in Amerika an. So z.B. in 2010 als Toyotas plötzlich von alleine durch Schaufenster fuhren. Ich ahnte damals schon noch bevor ich wusste was genau passiert war, das kann nur in den USA passiert sein. Es war nicht das erste mal, dass man mit Automatikfahrzeugen nicht klar kommt (siehe unintended acceleration Audi 5000). Und es war so, es konnte nicht bewiesen werden, dass etwas bei den Toyotas defekt war was zum nicht-beeinflussbaren-Beschleunigen geführt hat. Aber immer fleißig drauf hauen. Alle Maßnahmen waren eher Wir-müssen-was-machen-Maßnahmen auf vorsorglicher Basis. Möglicherweise war man toleranzmäßig nicht ganz sauber. Nichtsdestotrotz sind diese Unfälle unsinnig gewesen. Jedes normale Straßenfahrzeug kann mit der Betriebsbremse gehalten bzw. zum stehen gebracht werden – auch Automatikfahrzeuge. Mit der modernen Elektronik an Bord wird sogar mitgedacht und im Stand entkuppelt. Aber Bremse treten reicht aus – immer!

Oft wird der Vergleich mit einem Flugschreiber gebracht, man könne so einen Unfall einfacher rekonstruieren. Leider hinkt dieser Vergleich etwas, denn oft sind es die Aufzeichnungen der Gespräche die den entscheidenden Hinweis geben. Oder man stellt fest, dass eine Anzeige nicht richtig funktioniert hat, was den Piloten fehlgeleitet hat. Denn Flugzeuge fliegen selten auf Sicht. Im Straßenverkehr sieht es doch etwas anders aus, zumal sehr oft auch nur eine Person an Bord ist und es auch nur einen Fahrer gibt. Aufgezeichnete Gespräche sind also recht wertlos und äußerst problematisch hinsichtlich Datenspeicherung. Und wenn der Tacho nicht geht, ist das auch kein Drama. Wer bei völlig ausgefallenem Kombiinstrument (weiter-)fährt, ist eh nicht mehr zu retten. Auch bringen die normalen Sensor- oder Geberwerte nicht viel, denn ob ein Fahrzeug nun mit 78 oder 79,5km/h verunglückte, ist meist wenig hilfreich. Die Schätzungen der Unfallrekonstrukteure sind recht genau. Hinzu kommt, um alle relevanten Bewegungen aufzuzeichnen, müssen alle Fahrzeuge die gleichen Sensoren und Stellglieder besitzen. Nur nicht jedes Fahrzeug benötigt zwingend alle Sensoren. Ein Zwang würde den technischen Fortschritt behindern, da immer die gleichen Prinzipien verwendet werden müssen. Natürlich müsste man diese zusätzlichen Sensoren nicht nutzen, jedoch verursachen die dadurch Kosten.

Vorsicht bei Umfragen! - Klick - Umfrage Allianz&Auto Test -  Interessant sind Umfragen immer, jedoch darf man nicht außer Acht lassen, dass man gerade bei neuen Themen auf eine nicht aufgeklärte Bevölkerung trifft. Mittlerweile muss man Umfragen immer hinterfragen, aus welcher Bevölkerungsschicht stammen die Teilnehmer, wie Technikaffin sind diese, welchen Stellenwert hat das Automobil in deren Leben, welcher Generation sind diese zuzuordnen und so weiter und sofort. Und vor allem, Wer hat die Umfragenden beauftragt und was ist das Ziel der Umfrage?! Denn Premium-Kunden sind solche Gimmicks ziemlich egal, es KÖNNTE etwas gutes sein, was kostet die Welt?! Nicht-Premium-Kunden ist es meist zu teuer im Vergleich zum gebotenen bzw. es wird denen dann aufgebunden wie ein Muß. Da auch überwiegend Ältere Premiumfahrzeuge kaufen, sind solche Aussagen immer aus einer anderen Perspektive zu sehen. Sicherheit ist immer gut, unsere Rente ist sicher, unsere Scheiben und Türen zu Hause sind mit Gittern sicher gemacht, wir öffnen keine Post von fremden Absendern, was die CDU uns sagt ist richtig und unser Auto ist so groß, da ist genug Platz für Sicherheit, aber ein Handy brauchen wir doch nicht. Schräge Welt!

Etwas weiter ist man in der EU und im Bundestag. Man möchte eher die Zeit bis zum absetzen eines Notrufs verringern. Das ist schön, macht auch Sinn. Vor allem um einen genauen Standort zu bekommen. Aber wenn man will, kann man das auch schon heute mit seinem Handy äh Mobiltelefon. Die vorgeschlagenen Systeme sollen die Fahrgestellnummer (VIN) mit den GPS Daten an eine Zentrale Notrufstelle senden. Dazu braucht es aber immer eine eigene SIM Karte, die natürlich Geld kostet und vom Fahrzeugbesitzer bezahlt wird. Bisher gibt es gerade für Fahrzeuge noch keine Sicherheits-SIM Karte, es sind immer "normale" Karten notwendig. Wer ein neues Fahrzeug mit Internetzugang und Co sein Eigen nennt, wird die 250€ pro Jahr auch gerne dafür nutzen wollen. Nicht genutzte Pre-Paid Karten verfallen irgendwann und low-cost Verträge gibt es auch nicht. Und was passiert beim Fahrzeugverkauf? Und wie verhindere ich Missbrauch oder eine Fehlfunktion OHNE eingelegte SIM? Hier sind nicht nur eCall Systeme nicht durchdacht, auch die Neuen Medien im Kraftfahrzeug stecken hier noch in den Kinderschuhen. Denn der Schein trügt, die Werbung macht es vor. Weil die Fahrzeughersteller, Google und viele andere Beteiligte an den Nutzerdaten eine goldene Nase verdienen. Sogar die Versicherer stehen schon auf der Warteliste um Fahrprofilabhängige Tarife anbieten zu können. Natürlich Kostenoptimiert, für die Versicherungsgesellschaft versteht sich. Der Kunde wird mit billigen Tarifen gelockt und im Schadensfall wird kräftig zur Kasse gebeten – man hat ja die Nutzerdaten!

Auch sind diese Daten für die Notrufzentrale äußerst interessant, denn diese soll von Bosch gestellt werden (Bosch Communication Center). Wenn die Fahrzeuge nicht zum OEM in die Werkstatt gebracht werden, dann in eine freie, möglicherweise Kettengebundene Werkstatt. Bosch kann die Daten dann auch entweder für die eigene BoschService Kette nutzen oder an andere verkaufen. Und natürlich anhand der Daten Ersatzteilpreise noch genauer steuern, d.h. gewinnoptimieren.

Die EU will eCall, weiss aber eigentlich nicht, was das im Detail heisst. Möglicherweise wird auch hier wieder viel im Hinterzimmer gewerkelt und dem Bürger vorgesetzt. Wie die technische Umsetzung genau aussieht, ist offiziell noch nicht genau beschrieben, es ist jedoch abzusehen, dass in einem vorhandenem Steuergerät die Daten gleich mit gespeichert werden. Durch die heutige Vernetzung ist der zusätzliche Hardware-Aufwand überschaubar, je nach Plattform sogar ohne. Es ist eher eine Sache von Schnittstellen und Software. Zusätzliche Boxen wären eher für schwach vernetzte Fahrzeuge ohne GPS und GSM (low cost, Kleinwagen, Kompaktklasse) anzusehen oder als Pflicht zur Nachrüstung in älteren Fahrzeugen. Fraglich bleibt natürlich die Verbindung nach draussen. Immerhin setzt eCall GSM und GPS vorraus, beides zusammen lässt sich problemlos für eine Überwachung der Bürger einsetzen. Das wäre der der Super Gau, der gläserne Bürger deluxe für den Staat. Das würde natürlich perfekt in jegliche Mautpläne passen, vor allem Grenzübertretend! Die weitere Verwendung dieser Daten muß in jedem Fall verhindert werden – so toll Google und Co sich das auch schön reden! Von Hacker-Attacken mal ganz abgesehen. Nicht nur, dass komplette Systeme abgeschaltet und damit nutzlos sind, Angriffe auf die Fahrzeuge werden einfacher. Und da die Systeme voraussichtlich voll vernetzt und hochintegriert sind, ist auch ein einfaches abklemmen unmöglich. Sogar einfaches Abklemmen externer Boxen kann mit (durchaus willkürlichen) Fehlermeldungen im Fahrzeug enden, den technischen Schweinereien sind keinerlei Grenzen gesetzt.

eCall im Prinzip

Nur was passiert, wenn das Fahrzeug eine Meldung sendet, aber das völlig falsche Equipment anrückt? Was passiert, wenn das System gar keine Meldung abschickt? Was macht der Fahrer noch, muß er noch eine Meldung absetzen? Wird der Fahrer im Falle des Falles wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt? Bekommt der Fahrer eine Mitteilung, das eine Meldung raus ist? Man hat vor, anhand von Gurt- und Sitzkontaktschalter die Anzahl der Personen zu erkennen. Man möchte Crash-Schalter abfragen, genauso wie Airbag-Sensoren. Was passiert bei fehlerhaft erfassten Daten? Wer kann dann in Regress genommen werden? Volkswagen? Bosch? Und was passiert, wenn die Batterie im Fahrzeug hochgegangen ist? Was passiert mit entstandenen Fehlkosten aus eCall? Wie stellt man eine defekte SIM fest bzw. was passiert, wenn diese nicht getauscht wird?

 

Im Grunde nette Ideen, die aber nur bedingt weiter helfen. Denn Unfälle werden dadurch nicht reduziert. In äußerst abgelegenen Regionen kann es vielleicht zur schnelleren Alarmierung dienen, die schwere eines Unfalls daran zu erkennen bleibt fragwürdig. Auf der Autobahn kann ggf. die sichere Bestimmung der Fahrrichtung hilfreich sein. In der Stadt sieht die Situation eh anders aus. Das jedoch tausende Menschen weniger im Straßenverkehr sterben, bleibt jedoch eher als Marketing-Gehabe zu beurteilen. Man sollte versuchen das Beste aus den vorhandenen Systemen rausholen, aber bitte nicht um jeden Preis!

 

 

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